Schuhmacher-Werkstatt

„Ich bin einer der letzten Schuhmachermeister der Innung in Nürnberg“, sagt Erwin. „Genau genommen gibt es nur noch mich und einen weiteren.“ Erwin ist 54 Jahre alt und hat diesen Beruf in der vierten Generation seiner Familie gleich nach der Schule ergriffen. Hier in diesem Souterrain ist Erwin ‚zu Hause‘. Ein Raum ist Werkstatt und Verkaufsraum zugleich, so war es schon bei seinem Urgroßvater, der vor über 100 Jahren einer von vielen Schuhmachern war, die es in jedem Stadtteil gab.

Schuhmacher-Werkstatt

Der Gang zum Schuster war selbstverständlich, denn ein paar gute Schuhe hielten mit ein paar Absatzwechseln ein Leben lang. Das ist lange her und ein Paar Schuhe, das ist kein Geheimnis, ist längst kein Artikel mehr, der ein Leben lang hält.

Während unseres Fototermins werden wir immer wieder unterbrochen, die Türglocke kündigt den Besuch schon vor der Werkstatttür an. Schuhe werden gebracht und abgeholt. Erstaunlicherweise von Kunden jeden Alters.

‚Schuster zu sein lohnt sich nicht mehr, höchstens wenn man orthopädische Schuhe anfertigt und mit der Krankenkasse abrechnet. In der Wegwerfgesellschaft wirft man einen Schuh einfach weg, wenn die Oberfläche oder die Nähte kaputt sind, dann lässt man sie nicht mehr reparieren‘ sagt Erwin.

In der Mathildenstraße im Stadtteil Schoppershof hätte ich eine Schumacherei auch nicht vermutet, zu unscheinbar ist der Eingang hinter parkenden SUVs, die niedrige rote Holztür mit dem kleinen Messingschild kann man leicht übersehen.

Die Beträge für zwei reparierte Absätze sind nicht hoch und die Kundschaft scheint seine Arbeit zu schätzen. Lieb gewordene, teure Schuhe bleiben so treue Begleiter für die nächsten Jahre.

‚Die Schuhmacherinnung in Nürnberg brauchte stets einen ganzen Saal für ihre Mitgliederversammlungen, als es noch überall Schuhmacher gab. Es war ein beliebter Beruf.‘ Jetzt ist für Erwin bald Schluss. Er hat keine Kinder und keine Lehrlinge, das verbiete ihm die Berufsgenossenschaft, weil die Räume dafür nicht geeignet sind.

Ich schaue mich um. Erwin hat einen uralten Hammer, aber nicht viele Maschinen. Mir fällt eine Adler-Nähmaschine mit Fußantrieb auf, die schon der Urgroßvater gekauft hat und mit deren Schiffchen man wie eh und je jede Art von Faden ins Schuhleder nähen kann. „Eine moderne Nähmaschine kann gar nicht besser sein als diese, die ist heute noch perfekt“, erklärt Erwin. Mir fällt eine große Schleifmaschine auf, mit der man überstehende Absätze begradigen und polieren kann, und dann natürlich die sprichwörtlichen Leisten, bei denen ein Schuster bleiben soll. Es sind die Grundformen für Schuhe, hergestellt nach Geschlecht und Größe und die Matrix eines neuen Schuhes der in seine Passform gebracht wird. Nach vier Generationen dieses schönen Handwerks ist es der Familie Maulwurf wirklich gelungen, die Tradition zu bewahren und bei ihren ‚Leisten zu bleiben‘.

Schuhmacher-Werkstatt

Es riecht nach Leim und Leder, die Uhr an der Wand spricht Bände, ebenso das Firmenschild ‚Continental-Absätze – enorm haltbar‘. Nach einigen weiteren Fotos und einigen weiteren Unterbrechungen durch abholende Kunden verabschiede ich mich wieder von Erwin. Beim Hinausgehen zeigt er mir noch einen Zeitungsausschnitt aus vergangenen Tagen. „In den sechziger Jahren wurde in Nürnberg der Krimi ‚Der Illegale‘ mit Götz George gedreht und auch die Schuhmacherei war ein Drehort – leider wurde dann gerade diese Sequenz im Film nicht gezeigt“, erklärt Erwin noch. Ja, sehr schade entgegne ich ich … und schade, dass diese sehenswerte Werkstatt bald Geschichte sein wird.

Danke Erwin Maulwurf, für den Einlass.